Kritik an der Regierung: Symbolpolitik im Asyl- und Migrationsbereich

von

in ,

Für uns analysiert von Dr. Lioba Kasper

Es ist bezeichnend, dass die Vorschläge der neuen Regierung zu Anpassungen im Asyl- und Migrationsbereich unter der Überschrift „Sicherheit“ zu finden sind. Dieser Tenor durchzieht nahezu alle vorgeschlagenen Maßnahmen und macht deutlich, dass ein klares Bekenntnis zu Asyl und Migration nicht als Teil einer grundrechtlich und demographisch notwendigen Haltung, sondern primär als Bedrohung verstanden wird.

Menschenrechte sind verhandelbar?

Die NEOS haben in den vergangenen Jahren immer wieder die Einhaltung liberaler Menschenrechte eingefordert. Nun stehen sie erstmals selbst in der Verantwortung und tragen aktiv zu Verschlechterungen und einer weiteren Diskursverschiebung bei, die Asyl und Migration zur Hauptgefahr unserer Zeit stilisiert, was angesichts der Bedrohungen durch autoritäre Regime (aka Trump und Putin) wenig nachvollziehbar ist. Doch nicht nur die NEOS sondern auch die SPÖ hat sich in ihrem Wahlprogramm auf Bundesebene zur menschenrechtskonformen Ausgestaltung migrationspolitischer Maßnahmen bekannt. Hiervon ist im neuen Regierungsprogramm wenig zu finden. Vielmehr wird an mehreren Stellen die Möglichkeit der Ausrufung des Notstandes und damit die Möglichkeit, bestehende Rechte bewusst zu brechen, festgehalten.

Viele der geplanten Verschärfungen werden sich juristisch nicht umsetzen lassen. So ist der Familiennachzug ein fundamentales Recht, das nicht einfach ausgehebelt werden kann, dennoch kann die Regierung Hürden vorsehen, die zu jahrelangen Verzögerungen und erheblichen Erschwernissen führen. Wenn die Regierung zugleich ein konsequentes Vorgehen gegen Schmuggler:innen und Menschenhändler:innen fordert, ist es umso widersprüchlicher, dass sie legale Einreisemöglichkeiten weiter einschränken will. Doch nicht nur aus grundrechtlichen Erwägungen ist dieser Vorstoß bedenklich: Studien zeigen, dass Integration (und damit einhergehend auch Deradikalisierung) dann am besten gelingt, wenn Menschen die Möglichkeit haben, ihre Familien nachzuholen.

Auch die Forderung nach einer konsequenten Rückkehr- und Abschiebepraxis scheiterte bislang nicht an einem entsprechenden Bekenntnis der bisherigen Regierungen, sondern an den faktischen Gegebenheiten, unter anderem der fehlenden Aufnahme der Betroffenen durch Herkunftsstaaten. Dies kann auch nicht durch die Abschottung in Rückkehreinrichtungen erreicht werden, sondern führt zu einem rechtlosen Warten der Betroffenen. Die Idee der Rückkehrzentren gab es zudem in ähnlicher Form bereits – mit fragwürdigem Erfolg. Es wirkt wenig effizient, ein ineffektives und menschenunwürdiges Konzept wiederzubeleben, das bereits einmal gescheitert ist.

Weitere Hürden

Auch die Vorschlag einer Vereinheitlichung der Sozialhilfe, der Anrechnung von Familienbeihilfe auf die Sozialhilfe und der Einführung einer Integrationsphase für Asylberechtigte von drei Jahren bis zum Bezug der vollen Sozialhilfe wirkt unausgereift und scheint vor allem die Lebensbedingungen der betroffenen Personen zu verschlechtern. Wenn das eigentliche Ziel die Verhinderung von Radikalisierung und die Förderung von Integration ist, erscheint die bewusste Prekarisierung von Bevölkerungsgruppen als geradezu kontraproduktiv. Ebenso wenig tragen Maßnahmen wie das Kopftuchverbot zu einem diskriminierungsfreien Miteinander bei. Diese Werte dann in verpflichtenden Kursen einzufordern, wirkt schlicht unglaubwürdig.

Die Forderung nach ‚Asyl auf Null‘ ist nicht nur unrealistisch, sondern auch zutiefst unsolidarisch. Menschen werden weiterhin vor Krieg, Verfolgung und zunehmend auch vor Klimakatastrophen fliehen – Verfahrenserschwernisse und menschenunwürdige Aufnahmebedingungen ändern daran wenig. Diese Forderung dient daher vor allem der rechtspopulistischen Symbolpolitik, die letztlich nur migrationsfeindlichen Parteien und Kritiker:innen in die Hände spielt. Denn ein solches Ziel ist – außer durch eine völlige Abkehr von völkerrechtlichen Verpflichtungen, für die Ungarn bereits vom EuGH zu Strafzahlungen verurteilt wurde – nicht erreichbar. Sollte die Regierung diesen Kurs zu ihrem Markenzeichen machen, droht sie sich bereits zu Beginn ihrer Amtszeit selbst zu delegitimieren.

Verbesserungen?

Ein kleiner Lichtblick ist die geplante Obsorge ab Tag 1 für unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Diese Anpassung ist nicht nur angesichts der GEAS-Reform und aus kinderrechtlicher Sicht dringend geboten, sondern bietet auch die Chance, dass die nunmehrigen Regierungsparteien zumindest in diesem Punkt ihre Wahlversprechen einlösen. Es bleibt zu hoffen, dass sie diesen Anspruch nicht ebenso schnell über Bord werfen wie ihre bisherigen Bekenntnisse zur Wahrung der Menschenrechte im Asyl- und Migrationsbereich.


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Skip to content