Wenn Kickl im Zusammenhang mit der Flüchtlingsbewegung von 2015 meint, »die Wunde, die dort in den österreichischen Volkskörper geschlagen wurde, klafft bis heute«, dann ist diese Denkweise keineswegs neu. Schon der NS-Jurist und SS-Obergruppenführer Wilhelm Stuckart formulierte im Vorwort zum Kommentar der Nürnberger Rassegesetze:
»Die Zuführung artfremden Blutes zu dem eigenen führt daher zu dem Volkskörper schädlichen Veränderungen, denn die Homogenität, das instinktsichere Wollen eines Körpers wird dadurch geschwächt; an seine Stelle tritt eine unsichere, schwankende Haltung in allen entscheidenden Lebenslagen, eine Überschätzung des Intellekts und eine seelische Aufspaltung. Eine Blutmischung erreicht nicht eine einheitliche Verschmelzung beider sich fremder Rassen, sondern hat in der Regel eine Störung des seelischen Gleichgewichts in dem aufnehmenden Teil zur Folge.«

Mit der Rede vom »Volkskörper« knüpft Kickl also direkt an diese völkisch-biologistische Tradition an. »Volk« wird dabei nicht als politische, soziale Gemeinschaft verstanden, sondern als organisches Ganzes, als »Körper«, der durch Zuwanderung »fremder Rassen« verletzt und in seiner »Homogenität« geschwächt werde. Ganz im Sinne des nationalsozialistischen Denkens erscheint das »Volk« als rassenbiologisch definierte Einheit – eben als »Volkskörper«. Wer sich Gesellschaft biologistisch denkt, der denkt auch in den Kategorien von »artfremdem Blut« und »Blutmischung«. Dass dieser NS-Sprech für keinen entsetzten Aufschrei sorgt – weder medial noch in der Politik –, das sagt sehr viel über den Zustand der politischen Kultur aus.