Das aktuelle Regierungsprogramm der österreichischen Koalition offenbart erhebliche Defizite in zentralen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen. Eine Analyse anhand der Grundsätze der AUGE Wien zeigt, dass zahlreiche Maßnahmen sozial unausgewogen, arbeitsrechtlich problematisch und klimapolitisch unzureichend sind. Das gesamte Kapitel zu Asyl und Migration ist reine ÖVP-Diktion. Selbst wenn viele der genannten Punkte verfassungs- und europarechtlich nicht umsetzbar sind, bleibt die Agitation mit rechten Narrativen bestehen. Dennoch gibt es einzelne Ansätze, die in die richtige Richtung gehen.
Sozialpolitik: Kahlschlag statt Gerechtigkeit
Die Einführung einer Wartefrist für volle Sozialleistungen während der Integrationsphase widerspricht der Forderung der AUGE Wien nach einem solidarischen Sozialstaat, der allen Menschen – unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltsstatus – ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Diese Regelung zementiert soziale Ungleichheit und verschärft insbesondere für Migrant:innen die Armut.
Problematisch ist zudem die geplante Kürzung von Sozialleistungen für bestimmte Gruppen sowie der verstärkte Druck auf Erwerbstätigkeit ohne ausreichende arbeitsrechtliche Absicherung. Die AUGE Wien fordert stattdessen eine bedarfsgerechte Grundsicherung ohne diskriminierende Zugangshürden.
Die Einschränkung der Zuverdienstgrenzen bei Arbeitslosigkeit sowie die Kürzung der Kinderzuschläge für arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger:innen führen zu weiteren Verschlechterungen.

Arbeitsmarktpolitik: Mehr Druck, weniger Rechte
Die geplanten Änderungen in der Arbeitsmarktpolitik, insbesondere das restriktive Integrationsprogramm mit Sanktionen und Leistungskürzungen, stehen im direkten Gegensatz zu den gewerkschaftlichen Forderungen der AUGE Wien. Die Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit unter Androhung von Sozialleistungsentzug führt zu prekären Arbeitsverhältnissen und setzt Betroffene unter enormen Druck.
Zudem bleibt der Niedriglohnsektor durch eine unzureichende Anhebung des Mindestlohns gestärkt, während die AUGE Wien eine deutliche Lohnerhöhung und eine Arbeitszeitverkürzung fordert. Dass weiterhin Anreize für ein höheres Beschäftigungsvolumen gesetzt werden, ignoriert völlig die Situation jener Menschen, die aufgrund von Betreuungs- oder gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, mehr Stunden zu arbeiten.
Die geplante Staffelung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge ist nichts anderes als eine Bestrafung jener, die nicht mehr arbeiten können.
Die Abschaffung der Bildungskarenz ist ein weiterer Rückschritt – insbesondere für Eltern, die sie mangels ausreichender Betreuungsangebote als Notlösung nutzten.
Ein kleiner Fortschritt ist die geplante Stärkung der Fachkräfteausbildung, die langfristig den Druck auf den Arbeitsmarkt verringern könnte. Auch Verbesserungen im Lehrlingsbereich sowie in der Pflege sind enthalten.
Migrationspolitik: Schäbiger Ton und menschenverachtende Narrative
Die gesamte Migrationspolitik des Regierungsprogramms ist von einer schäbigen Tonalität geprägt. Fast menschenverachtend werden Asyl, Migration, Gewalt und Terrorismus in scheinbare Zusammenhänge gebracht. Schon die Kapitelüberschriften lassen erkennen, worum es eigentlich geht. Begriffe wie Deutschoffensive/Gewaltschutz dienen vor allem der Symbolpolitik.
Viele der geforderten Maßnahmen sind entweder bereits Realität oder könnten heute schon umgesetzt werden. Andere wiederum sind verfassungs- oder unionsrechtlich gar nicht möglich. Integration sieht anders aus.
Die AUGE Wien fordert ein humanitäres Bleiberecht, das gut integrierten Menschen und Langzeitgeduldeten eine Zukunftsperspektive bietet. Die Regierung muss auf Abschiebungen in unsichere Herkunftsstaaten verzichten und insbesondere vulnerable Gruppen stärker schützen.
LGBTQ+: Gleichstellung bleibt auf der Strecke
Das Regierungsprogramm ignoriert weitgehend die Bedürfnisse und Rechte von LGBTQ+-Personen. Während in anderen Bereichen Gleichstellung betont wird, fehlen konkrete Maßnahmen gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz, im Gesundheitswesen und in anderen Lebensbereichen.
Besonders problematisch ist, dass LGBTQ+-feindliche Gewalt und Diskriminierung nicht als eigenes gesellschaftliches Problem anerkannt werden. Der Schutz queerer Menschen vor Hassverbrechen bleibt unzureichend, und es fehlen Strategien zur gezielten Unterstützung von trans, nicht-binären und intergeschlechtlichen Personen.
Frauen
Zu begrüßen sind insbesondere Maßnahmen zur Gendermedizin und die vollständige Umsetzung der EU-Lohntransparenzrichtlinie. Leider fehlen Maßnahmen, die Care-Arbeit tatsächlich in die Leistungsbewertung der Gesellschaft einbeziehen. Eine bloße Erwähnung ohne entsprechende Anerkennung reicht nicht aus.
Pensionspolitik: Kürzungen statt Sicherheit
Die geplanten Änderungen im Pensionssystem sind aus Sicht der AUGE Wien besorgniserregend. Die Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters und die Einschränkungen bei der Korridorpension bedeuten für viele Arbeitnehmer:innen längere Arbeitszeiten – ohne Rücksicht auf die Belastung in bestimmten Berufsgruppen.
Klimapolitik: Keine echten Weichenstellungen
Die Maßnahmen im Bereich Klimaschutz bleiben weit hinter den notwendigen Anforderungen zurück. Während die AUGE Wien eine radikale sozial-ökologische Transformation fordert, setzt das Regierungsprogramm weiterhin auf wirtschaftsfreundliche Anreize anstatt auf konsequente Maßnahmen zum Ausbau erneuerbarer Energien, einer nachhaltigen Verkehrswende und einer gerechten Energiewende.
Demokratie & Arbeitnehmer:innenrechte: Fehlende Partizipation
Das Regierungsprogramm sieht keine wesentliche Stärkung der Mitbestimmungsrechte in Betrieben vor und ignoriert die Forderung der AUGE Wien nach einer Demokratisierung der Wirtschaft. Zwar werden Sozialpartnerschaft und Betriebsräte mehrfach explizit erwähnt, doch ein Ausbau dieser Strukturen ist nicht erkennbar.
Positives: Fortschritte in Bildung und Sozialem
Trotz vieler problematischer Punkte gibt es einige positive Entwicklungen: Besonders hervorzuheben ist der geplante Ausbau der Elementarpädagogik mit einer besseren Ausbildung für Kindergartenpädagog:innen sowie einem langfristigen Plan für kleinere Gruppen.
Fazit: Viel Luft nach oben trotz einzelner Fortschritte
Das Regierungsprogramm vernachlässigt in weiten Teilen soziale Gerechtigkeit, Arbeitnehmer:innenrechte und ökologische Verantwortung. Die AUGE Wien fordert stattdessen eine soziale Wende mit fairen Löhnen, Arbeitszeitverkürzung, Klimagerechtigkeit und einem solidarischen Sozialsystem.
Es gibt jedoch auch positive Punkte, etwa im Bildungs- und Gesundheitsbereich sowie im nachhaltigen Verkehr. Insgesamt bleibt das Regierungsprogramm jedoch hinter den Erwartungen an eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Politik zurück.
Um einen Gesamteindruck des Papiers zu vermitteln wollen wir zum Schluss dieser Einschätzung noch 2 Absätze aus dem Programm zitieren:
Jede und jeder, die bzw. der aus einem anderen Kulturkreis nach Österreich kommt und hier dauerhaft leben möchte, muss sich an die Regeln unseres Zusammenlebens, Traditionen und Gepflogenheiten, wie sie auch im Regelwerk “Zusammenleben in Österreich” abgebildet sind, halten und sich zu diesen bekennen. Das Regelwerk wird weiterentwickelt. Grundregeln und Grundwerte sollen auf Basis der im Integrations- und Bildungsressort erarbeiteten Unterlagen in allen staatlichen Institutionen (Schule, Kindergarten, Grundwehrdienst etc.) verpflichtend vermittelt werden. Unsere Fest- und Feiertagskultur (Nikolaus, Weihnachten, Ostern, Mutter- und Vatertag, Erntedankfest etc.) wird in unseren Schulen und Kindergärten gefördert.
Regierungsprogramm ÖVP, SPÖ, NEOS
Eine fortschrittliche zukunftsgewandte, weltoffene Sprache sieht anders aus!
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