Warum ein FPÖ Nationalratspräsident keine demokratische Usance sein kann.

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Wenn wir von festgeschriebenen demokratischen Regeln sprechen die gar nicht festgeschrieben sind, nennen wir dies Usance (Brauch, Gepflogenheit [im geschäftlichen Verkehr]).

Der Brauch steckt im Detail

Seit 1945 gab es immer erste Nationalratspräsidenten der SPÖ bzw. der ÖVP. Die Ausführenden Personen haben immer darauf geachtet die Parlamentarische Ordnung einzuhalten. Nun steht Walter Rosenkranz für dieses zweitwichtigste Amt der Republik zur Wahl. Ein Burschenschafter.

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Als der Fall eines Neonazis, der im Parlament als Sicherheitskraft arbeitete bekannt wurde, äußerte sich Rosenkranz im Nationalrat mit folgenden Worten:

Es dürfte sich um einen jungen Menschen handeln. Ich kenne ihn nicht, ich war nicht beim BVT-Untersuchungsausschuss, ich weiß nicht, wer er ist. Es ist jedenfalls ein junger Mensch, wo man vielleicht landläufig sagen kann, wenn er dort mit Küssel und Konsorten herumgehüpft ist, das nennt man auch einen bledn Bua, der vielleicht vom Leben noch nicht so viel erfahren hat. Ich weiß nur eines: dass der jetzt auf jeden Fall einmal seinen Job los ist, dass der jetzt in der Arbeitslosigkeit ist. Und wir wissen ganz genau: Was ist der Nährboden speziell für Extremismus? (…)

Das ist keine Entschuldigung, aber wir wissen ganz genau, dass sein Leben jetzt einmal so ruiniert ist, dass es mich nicht wundern würde, wenn er am Nährbusen dieser krausen Ideologien weiter gestillt wird. Das sehe ich auf jeden Fall auch als problematisch an. 

(parlament.gv.at, 21.11.18)

Ende 2022 wurde der “blede Bua”, wie Walter Rosenkranz ihn nannte, nach dem Verbotsgesetz verurteilt, nicht aufgrund seiner Tätigkeit im Parlament, sondern für weitere Straftaten, die er vor und während seiner Zeit dort begangen hatte. Wenn Rosenkranz das Parlament als Ort der Resozialisierung für Neonazis sieht, könnten uns in Zukunft möglicherweise ähnliche Fälle bevorstehen. Nicht nur die Person Rosenkranz ist in die Verantwortung zu ziehen, sondern seine gesamte Partei.

Die FPÖ selbst

Anton Reinthaller war ein Politiker und SS-Brigadeführer. Als Gutsbesitzer übernahm er ab 1938 das Amt des Ministers für Land- und Forstwirtschaft im Anschlusskabinett von Arthur Seyß-Inquart. Zudem war er NSDAP-Reichstagsabgeordneter und diente von 1939 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Unterstaatssekretär im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin. Und was hat das alles mit der FPÖ zu tun?

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Anton Reinthaller war nach der NS-Zeit Gründungsmitglied und erster Parteiobmann der FPÖ. Seine Obmann Funktion bekleidete er bis zu seinem Tod 1958. Noch 2016 widmete die oberösterreichische FPÖ Reinthaller einen Festakt in Mettmach. Das Heimatbuch des Ortes würdigt ihn als „großen Sohn Mettmachs“. Wie die FPÖ also mit historisch schwierigen Personen umgeht, hat sie mit dieser Aktion eindrucksvoll, im negativen Sinne bewiesen.

Die nähe zum Extremismus

Die FPÖ wird seit Jahren für ihre Nähe zur Identitären Bewegung (IB) kritisiert, einer rechtsextremen Gruppierung, die für ihre fremdenfeindlichen und völkischen Positionen, wie Massendeportationen, bekannt ist. Obwohl sich führende FPÖ-Politiker öffentlich von der IB distanziert haben, wurden wiederholt personelle und ideologische Überschneidungen sichtbar. Einige FPÖ-Mitglieder und Funktionäre haben an Veranstaltungen der Identitären teilgenommen oder öffentlich Sympathien geäußert. Diese Verbindungen rücken die Partei in die Nähe der rechtsextremen Szene, was regelmäßig für politische Kontroversen sorgt. Die FPÖ bestreitet jedoch eine offizielle Zusammenarbeit mit der IB.

Eine solche Partei soll also nun das zweitwichtigste Amt in der Republik besetzen wegen eines Brauches der in keiner Weise auf einer Pflicht oder einem Recht beruht?

Es war ein trauriger Tag. Walter Rosenkranz wurde mit 61,7 Prozent zum ersten Nationalratspräsidenten gewählt.